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Eine Baustelle wird zum Lern- und Bildungsort

Kinder begleiten den Neubau des Kinder- und Familienzentrums Grolland

Foto: Besuch der Baustelle des neuen Kinder- und Familienzentrums Grolland; ©KiTa Bremen - Eigenbetrieb der Stadtgemeinde Bremen

Frühlingspost 2020 | 21.07.2020 - Seit Baubeginn im November 2019 beobachten die Kinder des Kinder- und Familienzentrums Grolland im Süden von Bremen mit großem Interesse die Bauarbeiten ihrer neuen Kita. Nur ein paar Straßen vom jetzigen Kindergarten entfernt rollen Tag für Tag große Lastwagen auf das Gelände der benachbarten Grundschule. Hohe Kräne errichten hier ein zweistöckiges Gebäude: „Da wird unser neuer Kindergarten gebaut!“, erklärt Mirela (5) stolz. „Ich habe den Bauarbeitern schon hallo gesagt.“

Die Begeisterung, die Mirela und ihre Kitafreund*innen seit Baubeginn für die Arbeiten am Kitaneubau begleitet, übertrug sich schnell auf die pädagogischen Fachkräfte des Kinder- und Familienzentrums, zu denen Adelina Gashi und Marcel Sparbrod gehören. „Wir konnten beobachten, dass das Thema die Kinder beim offenen Spiel beschäftigt. Die Baustelle wurde nachgebaut und sie spielten viel mit Baggern.“, erklärt Frau Gashi, Expertin für den Bau- und Zahlenraum der Einrichtung. Es wurde deutlich, dass die Kinder durch das Nachspielen der Bausituationen, die gewonnenen Eindrücke verarbeiteten und in ihre alltäglichen Zusammenhänge setzten. Um diese Impulse zu stärken und zu fördern, riefen Frau Gashi und Herr Sparbrod ein eigenständiges Baustellenprojekt ins Leben.

Foto: Marcel Sparbrod und Adelina Gashi präsentieren Arbeitsergebnisse des Baustellenprojektes; ©KiTa Bremen - Eigenbetrieb der Stadtgemeinde Bremen

Ziel des Projektes ist es, die Baustelle für Kinder zu einem erlebbaren Ort zu machen, an dem sie lernen und sich weiterentwickeln können. Kinder haben die Möglichkeit, Aktivitäten am Neubau zu hinterfragen, auszukundschaften und die verschiedenen Arbeitsprozesse kennenzulernen. Die Mitarbeiter*innen des Kinder- und Familienzentrums Grollands richten hierfür viele Aktivitäten gezielt auf das Thema Baustelle aus und integrieren feste Termine in den Kita-Alltag, an denen das Baugrundstück besucht wird. Das Projektangebot steht allen Kinder offen und wird altersübergreifend von Mädchen und Jungen begeistert angenommen.

Was kostet ein Kran? Wozu sind Gewichte am Kran befestigt?

Fotos: Impressionen von der Baustelle

Wesentlicher Bestandteil des Projektes ist es, Kindern Raum zur eigenständigen Auseinandersetzung mit der Baustelle zu geben und sie zu ermutigen, Ideen und Vermutungen zu äußern. Mit gezielten Fragen lenkten die Mitarbeiter*innen die Aufmerksamkeit immer wieder auf neue Details, Merkmale und Eigenschaften der Baustelle. Marcel Sparbrod, pädagogische Fachkraft im Atelier und spezialisiert auf Medienpädagogik, erklärt: „Es geht darum mit den Kindern ins Gespräch zu kommen und sich darüber auszutauschen, was sie entdecken. Wir fragen, wozu bestimmte Gegenstände gebraucht werden und erarbeiten gemeinsam Antworten.“ Insbesondere der Kran weckte das Interesse der Kinder. „Sie fragten sich, wer den Kran eigentlich steuert.“, berichtet Frau Gashi. Nach langem Beobachten der Baustelle, entdeckten die Kinder schließlich einen Bauarbeiter, der den Kran mit einer Fernbedienung lenkte.

Reicht das Beobachten der Baustelle nicht aus, um Antworten zu finden, sucht das Team gemeinsam mit den Kindern nach anderen Lösungswegen. Zur Bestimmung von Werkzeugen recherchierte sie beispielsweise schon in Büchern. Ein Werkzeug erhielt dabei große Aufmerksamkeit: „Vom Spachtel waren die Kinder besonders begeistert. Sie haben sofort in der Sandkiste angefangen den Sand glatt zu ziehen. Es ist wirklich sehr interessant, wie Kinder solche Situationen auch ins Freispiel integrieren.“, berichtet Frau Gashi.

Fotos: Nachbildung des Bauplans; ©KiTa Bremen - Eigenbetrieb der Stadtgemeinde Bremen

Die Kinder setzten sich zudem intensiv mit der räumlichen Gestaltung der neuen Kita auseinander. „Wir überlegen gemeinsam, wo der Eingang sein könnte oder wieso ein schmaler Gang zur Schule gebaut wird.“, beschreibt Frau Gashi. Auflösung bot ein Bauplan von der neuen Kita, den der Bauleiter den Kindern zuschickte. Der Plan wurde genau untersucht, berichtet Herr Sparbrod: „Die Kinder haben zunächst die Räume auf dem Plan gezählt und sich ihre Formen angeschaut. Anschließend haben sie versucht alles genau nachzubauen.“ Beeindruckt war der KiTa Bremen Mitarbeiter von der Eigenständigkeit der Kinder, die selber die Idee und Umsetzung des Nachbaus entwickelten.

Tagebuch und Ausstellung - Gemeinsam Erinnerungen schaffen

Ob Bauplan, Spachtel oder Kran - die Beobachtungen der Kinder halten Frau Gashi und Herr Sparbrod in einem Baustellen-Tagebuch fest. Das Buch beinhaltet zahlreiche Fotos von Baustellenbesuchen, aber auch Interviews und Zitate, die seit Baubeginn mit und von den Kindern gemacht wurden. Neben dem Buch wird das Projekt auch in einer Glasvitrine im Kinder- und Familienzentrum ausgestellt „Wir stellen hier Baumaterialien wie Styropor, Steine oder ein abgeschnittenes Rohr aus. Es ist sogar ein Helm der Bauarbeiter zu sehen. Alle Gegenstände haben die Kinder selbst gesammelt.“, berichtet Frau Gashi. Tagebuch und Vitrine dienen dazu, das Erlebte Revue passieren zu lassen. Gleichzeitig bieten sie aber auch Eltern die Möglichkeit, Einblicke in die Projekterlebnisse zu erhalten.

Aufgrund der Corona-Pandemie musste das Team die Aktivitäten zum Baustellenprojekt im Kinder- und Familienzentrum Grolland aktuell sehr eingeschränkt. Der Neugier der Kinder tut dies jedoch keinen Abbruch: „Unsere Kinder beobachten mit ihren Eltern auch während der Freizeit die Baustelle. Im Kindergarten berichten sie dann, wie weit die Baustelle schon ist.“ Bis das neue Kitagebäude in den Osterferien 2021 bezogen werden kann, bleibt sicherlich noch viel zu entdecken.

Warum Baustellen Kinder faszinieren?

KiTa Bremens Fachberatung klärt auf

Eine Baustelle ist für Kinder faszinierend und inspirierend zugleich. Wie in einem Wimmelbuch, geht es zu: Menschen, Werkzeuge, Baustoffe und Fahrzeuge sind an einem Ort anzutreffen. Das weckt die Lust der Kinder am Beobachten, Fragenstellen, Spekulieren, Geschichtenerfinden und (Rollen)spielen.

Im kindlichen Spiel ist das Bauen und Konstruieren eine bedeutende Tätigkeit. Schon bei Kleinkindern kann beobachtet werden, wie sie mit Freude Türme zum Einstürzen bringen. Hierbei machen Kinder ihre ersten Selbstwirksamkeitserfahrungen („Ich kann etwas verändern“) und erfahren physikalische Gesetzmäßigkeiten.

Die Motivation und die Fähigkeit Türme aufzubauen folgt im fortgeschrittenen Kindesalter. Zuerst wird vertikal gestapelt, dann horizontal. Im Alter zwischen drei und fünf Jahren entdecken Kinder die Fertigkeit alle drei Dimensionen des Raumes (oben und unten, links und rechts, vorne und hinten) miteinander zu verknüpfen. Die Abfolge der Entwicklungsschritte ist stets die gleiche. Ausprägung und Zeitpunkte der Bauaktivitäten können jedoch von Kind zu Kind variieren.